Es geht halt doch nicht ohne

Ich habe nicht durchgehalten.

Der Plan war, während des vierwöchigen Urlaubs in Chile aufs Laufen zu verzichten. Einmal, um dem Körper mal eine Erholungspause zu gönnen. Und natürlich auch, weil sich das Ganze bei einer Rucksack-Tour etwas schwierig gestaltet.

Wenn man bei Bergtouren dann mit Aussichten wie dieser belohnt wird, fällt es auch tatsächlich nicht schwer, anstatt der Lauf- die Wanderschuhe zu schnüren und die überwältigende Kraft und Energie der Natur zu genießen.

Nun. 20 Tage ging das gut. Aber dann wurde die Sehnsucht nach dem Laufen zu groß. An jenem Tag also kamen wir in Talca an. Die Provinzhauptstadt der Weinregion Maule liegt etwa 250 Kilometer südlich von Santiago und bis zum Jahr 2010 prägten vor allem historische Kolonialbauten und charmante Landhäuser den Stadtkern. Doch dann erschütterte ein schweres Erdbeben die Region und zerstörte weite Teile der Stadt. Noch heute ist Talca gezeichnet davon, auch wenn viel gebaut und getan wurde. Aber viele Häuser stehen noch immer zerfallen und zerstört als Zeitzeugen und als natürlich geschaffene Denkmäler für die Kraft der Natur im vulkanisch geprägten Chile.

Was Talca aber auch vorweisen kann: die, laut dem netten Mitarbeiter in der Tourist-Info, „längste Alameda Chiles“. Umrahmt von der Hauptstraße Cuarta Norte zieht sich die mit Bäumen eingefasste Allee als Grünstreifen und zum Teil als Park angelegt durch die ganze Stadt – und drängt sich als Laufstrecke freilich geradezu auf.

Die ersten Schritte, das muss ich zugeben, waren nicht nur von Glückshormonen durchströmt. 30 Grad um 20 Uhr, eine UV-Belastung die fast täglich den Höchstwert erreichte – das war mein Körper nicht gewohnt und meine Beine fühlten sich erstmal an wie Blei. Sicherlich steckten ihnen auch noch die vorherigen Trekkingtouren mit der ungewohnten Belastung in den Knochen. Doch jeder Läufer kennt das: Zähne zusammenbeißen lohnt, denn mit jedem Meter fühlt es sich leichter an. Und als ich meinen Rhythmus gefunden hatte, hätte ich ewig (oder zumindest die ganze Nacht) laufen können. Wie habe ich das genossen!

Weil wir am nächsten Tag weitergereist sind, klingelte mein Wecker um 6.30 Uhr – eine Runde auf der Alameda musst einfach nochmal drin sein. Gut, dass mein Begleiter mich gut kennt und obwohl er kein passionierter Läufer ist, Verständnis für mich hat.

Warum ich die Laufschuhe aber eigentlich eingepackt hatte: Unser Tripp führte uns auch an einen Ort, den man wahrscheinlich nur einmal im Leben besucht: nach Rapa Nui, auf die Osterinsel. Viereinhalb Flugstunden von Santiago entfernt. Im wahrsten Sinne des Wortes am anderen Ende der Welt. Und dieses einmalige Ereignis, dort ein paar Runden gezogen zu haben, wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

Tja, und was soll ich sagen? Das Lauferlebnis dort ist kaum in Worte zu fassen. Von der Uferpromenande am Meer entlang über die von Eukalyptusbäumen umsäumte Allee bis hin zu durchaus anspruchsvollen Erhebungen ist alles dabei. Auch wettertechnisch. Die Sonne knallt im einen Moment noch unerbittlich vom stahlblauen Himmel, die leichte Brise entwickelt sich aber auch ganz schnell im nächsten Moment zum Wolken und Regen bringenden starken Wind bis hin zur Böe. Gegen, nein: MIT diesen Naturgewalten zu laufen – dabei immer das Meer und die bekannten Kultstätten im Blick – ist einfach nur grandios. Ich war nicht nur eine der ganz wenigen Läufer, aber ich glaube die einzige, die mit einem glücklichen Dauergrinsen durch die Gegend lief.

Für Zahlenfreaks: Die reine Statistik weist 657 zu Fuß zurückgelegte Kilometer in Chile auf, davon 73 laufenderweise.

Die Gesamtbilanz ist dennoch ernüchternd:
Zum Stand 15. Februar sind 6,3 Prozent des Jahreslaufziels (273 km) erreicht – aber schon 12,6 Prozent des Jahres vergangen.
Deshalb: Lauf, Wunder!

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