4. Spieltag – Tor? Erstmal den Videobeweis abwarten…

Tor!? Erstmal den Videobeweis abwarten…

Spieltag vier in einem Satz: Der 1. FC Nürnberg gewinnt gegen Hannover 96 verdient mit 2:0 und fährt den ersten Dreier der Bundesligasaison ein.   

Schon lange nicht mehr habe ich mich während eines Spiels so aufgeregt wie letzten Samstag. Ich hatte zudem ernsthafte Befürchtungen, der Nachbar zu meiner rechten Seite könnte einen Herzinfarkt bekommen, und aus dem sehr laut vorgetragenen Wortschatz jenes zu meiner Linken hätte ich ein Lexikon der beleidigensten Schimpfwörter verfassen können.

Selbst nach ein paar Nächten drüber schlafen komme ich noch in Wallung, wenn ich an die Partie gegen Hannover 96 und den Schiedsrichter denke. Klar, am Ende zählt, dass wir endlich und verdient drei Punkte eingefahren haben. Das Ergebnis versöhnt im Nachhinein auch für die Aufregung, das Zittern, die Wut und Anspannung während der rund 95 Minuten. Trotzdem muss ich meine Worte von letzter Woche wiederholen: Als ob wir nicht schon genug Aufregung und Nervenanspannung hätten mit unserem Glubb – da braucht’s nicht auch noch den Videobeweis und unfähige Schiedsrichter. Revidieren muss ich jedoch meine Vorhersage, dass in einigen Jahren die Stadien nach Toren erstmal ruhig bleiben würden. Das wird keine Jahre dauern. Das wird schon am nächsten Spieltag so sein.

Doch beginnen wir von vorne. Trainer Michael Köllner ließ fast die gleiche Mannschaft wie gegen Bremen auflaufen – lediglich Virgil Misidjan stand statt Matheus Pereira in der Startformation.

Es entwickelte sich vom Anpfiff weg eine muntere Partie, bei der unsere Jungs die Oberhand behielten und sich Chancen erarbeiteten – allerdings mal wieder mit dem Manko der mangelnden Verwertung. Als es auf die kritische 25. Minute zuging, hegte ich deshalb schlimmste Befürchtungen. Diesmal kam es jedoch noch schlimmer. Nicht der Gegner, sondern wir schossen ein Tor. Bejubelten es euphorisch, schrien unsere Freude heraus. Der Stadionsprecher war gerade schon dabei, den neuen Spielstand durchzugeben – als er jäh unterbrochen wurde. Videobeweis. Abseits. Kein Tor. Das Lachen blieb uns sprichwörtlich im Halse stecken. So ungefähr muss es sein, wenn du im Gehen gegen ein Straßenschild läufst. Ich konnte es wirklich nicht glauben. Nicht schon wieder!!!! Das KONNTE einfach nicht sein.

Ich weiß schon, alle Befürworter des Videobeweises kommen jetzt mit dem Totschlagargument an: Es geht um Gerechtigkeit. Oder zumindest um Minimierung der Ungerechtigkeit. Ja. Mag sein. Der Fußball ist ein Riesengeschäft, es steht im wahrsten Sinne des Wortes viel Geld im und auf dem Spiel. Und da mögen doch bitteschön diese menschlichen Irrtümer namens Schiedsrichter-Entscheidungen auf ein Minimum reduziert werden.

Okay. Was sagen die Kritiker denn zur Situation in Minute 27, als Hannovers Verteidiger Miko Albornoz nach Videobeweis vom Platz flog? Das halbe Netz (und natürlich auch der Bayern-Propaganda-Sender Bayerischer Rundfunk in seiner Sendung „Blickpunkt Sport“ am Sonntagabend) zog über Misidjan her, der schneller und dramatischer gefallen sei als selbst ein Neymar. (So ganz nebenbei: Hätte das ein Ribery oder ein Müller gemacht, hätte es geheißen: „Clever herausgeholt.“) Hier hatte Herr Dankert das Spiel erst weiterlaufen lassen und dann vom Video-Schiri in Köln einen Hinweis bekommen. Nachdem er sich die Szene gefühlt fünf bis zehn Minuten am Monitor angesehen hatte, entschied er auf Rote Karte. So, und wo ist jetzt hier die Gerechtigkeit?? Genau, die absolute Gerechtigkeit gibt es nicht, auch nicht durch den Videobeweis, selbst der schließt keine Irrtümer aus, lässt ausreichend Platz für Fehler und Diskussionen. Und die Erkenntnis: Im Fußball wird es immer diese Situationen geben, in denen es zwei Meinungen gibt. In denen auch die x-te Wiederholung in Superzeitlupe nicht zwangsläufig zur endgültigen Aufklärung beiträgt. Und mal ganz ehrlich und provokant gefragt: Gucken wir tatsächlich Fußball, weil wir auf Gerechtigkeit hoffen? Nicht wirklich. Wir wollen, dass unser Herzensverein gewinnt. Wir wollen Emotionen. Wir wollen Freude und Ärger. Gerne auch im Überschwang. Und ja, wir wollen auch mal Zorn wegen einer Fehlentscheidung.

Mittlerweile können wir uns ja nicht mal mehr bedingungslos über ein Tor freuen. Minuten später greift sich der Schiri plötzlich ans Ohr und rennt zum Bildschirm. (Nur mal so eine Frage nebenbei: Wie lange nach einer Situation darf/soll/kann der Schiri eigentlich noch eingreifen? Sofort, zwei Minuten, oder wischi-waschi-„zeitnah“?!) Der Videobeweis zerstört den Spaß. Zerstört die Stimmung. Zerstört das Stadionfeeling. Auch wenn man mich dafür steinigt: Da pfeif ich doch auf die Gerechtigkeit.

Fußball ist ein Breitensport. Das Spiel ist dasselbe – egal, ob Kreis- oder Bundesliga. Aber das ist es eben nicht mehr. Michael Köllner formuliert es so: „Es kann nicht sein, dass etwas eingeführt wird, das exklusiv nur in der ersten Liga gilt. Wenn man sich zwei Stunden vorher die zweite Liga angeschaut hat, galt da noch etwas anderes.“ Nicht nur im „Unterhaus“, auch in der dritten oder vierten Liga gibt es Vereine, die unter Profibedingungen arbeiten, für die es um viel Geld geht. Doch in diesen Klassen ist die Einführung der Videotechnik nicht möglich. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?

Hui, jetzt habe ich mich schon wieder in Rage geschrieben – dabei geht die Freude über die drei Punkte fast ein bisschen unter. Und das ärgert mich noch viel mehr! Denn unsere Jungs auf dem Platz verdienen höchstes Lob. Sie waren diesmal in Halbzeit zwei, anders als in den vergangenen drei Partien, nicht besser. Trotz Unterzahl kam 96 nämlich mutig aus der Kabine und suchte seine Chance. Aber die Rot-Schwarzen haben nie aufgesteckt, sich von den Schiri-Entscheidungen nicht beeindrucken oder demotivieren lassen. Am Ende siegte das tüchtigere Team, in das der Trainer mit dem richtigen Riecher Joker Törles Knöll einwechselte. Beim Einsnull „ließ“ der Ex-Hamburger noch vom Gegner einnetzen, zum Zweinull versenkte er das Leder kurz darauf selbst.

Batsch, batsch. Zweinull. Drei Punkte. Rang acht.

Was für ein Spieltag!

Am Mittwoch geht’s nach Dortmund. Und wie hat mein Dauerkartennachbar Ulf so schön am Samstag nach dem Match gesagt: „Das Spiel ist noch nicht verloren!“ Im Gegenteil! Ich traue dieser Mannschaft und dem Trainer mit seinem Team sehr viel zu. Trotz Videobeweis.

 

 

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